Mindsetwandel bei Pfizer Deutschland: Interview mit Peter Albiez
Im exklusiven Interview mit TheNextWe reflektiert Peter Albiez, der bis vor Kurzem als Country Manager die Geschicke von Pfizer Deutschland leitete, die Herausforderungen des Arbeitens im „New Normal“. Er erläutert, wie es Pfizer durch Mindsetwandel gelungen ist, den Außendienst erfolgreich auf eine hybride Arbeitswelt auszurichten und dabei sogar noch die Produktivität zu steigern.
TheNextWe: Viele Menschen fragen sich nach vielen Monaten Pandemie: Wann bekommen wir unsere Normalität wieder zurück? Was bedeutet diese Frage für Unternehmen wie Pfizer, was heißt das für die Mitarbeitenden?
Peter: Diese Pandemie mit all ihren Auswirkungen ist eine tiefgreifende Erfahrung für uns alle. Im Frühjahr 2020 mussten alle von einem Tag auf den anderen ins Homeoffice. Das war eine intensive und prägende Zeit und sie ist nach wie vor herausfordernd. Diese physische Distanz, dieses immer wieder aufkommende Gefühl des „Nicht-raus-könnens“ – das belastet.
TheNextWe: Wo liegen die Chancen, so unvermittelt in solch eine Situation katapultiert worden zu sein?
Peter: Wir konnten auch positive Erfahrungen erleben: Wir haben plötzlich gesehen, welches Potenzial in der Nutzung digitaler Möglichkeiten liegt, um miteinander zu arbeiten und Kunden zu betreuen. Obwohl physisch getrennt, waren wir uns auf anderen Wegen dann doch wieder sehr nah. Diese Erfahrung hat die Verbundenheit untereinander wiederum gestärkt. Wir haben außerdem ganz speziell bei uns gesehen, dass dieses gemeinsame Erleben unsere Unternehmenskultur ebenfalls nach vorne gepusht hat. Der Impfstoff hat bei uns allen (bei Pfizer) Kraft, Stolz und Freude erzeugt.
„Der Aufbau digitaler Plattformen hat gezeigt, dass mit ihnen wesentlich effizienter gearbeitet werden kann, unabhängig von Raum und Zeit.
TheNextWe: Ist Homeoffice das „New Normal“?
Peter: Die entscheidende Frage, die uns wirklich beschäftigt, ist: Wie werden wir das Arbeiten in Zukunft organisieren? Wie gestalten wir also das „New Normal“?
Wir müssen uns außerdem fragen: Welchen Stellenwert haben virtuelle internationale Teams, wenn das Arbeiten im Büro wieder uneingeschränkt möglich ist?
Der Aufbau digitaler Plattformen hat gezeigt, dass mit ihnen wesentlich effizienter gearbeitet werden kann, unabhängig von Raum und Zeit. Der digitale Raum hat also einen enormen Schub bekommen. Es wurden große Projekte gemanagt. Wir haben die Möglichkeit, Netzwerke und agiles Arbeiten zu etablieren, auf eine ganz neue Ebene gehoben. Und warum hat das so gut funktioniert? Weil wir vorher eine gute und gesunde Kultur geschaffen haben.
TheNextWe: Also ist klar, wohin die Reise geht: Alles in Richtung digital?
Peter: Die Nutzung virtueller Kanäle ist nicht durch Covid-19 entstanden, den Trend gibt es schon seit Jahren. Wir haben also auch schon Jahre vorher unterschiedliche Maßnahmen entwickelt, um Mitarbeitende damit vertraut zu machen und sie zu trainieren. Da haben wir schon einige Fortschritte gemacht.
Es lässt sich aber nicht alles virtuell fortschreiben: Persönliche Begegnungen sind enorm wichtig, der Plausch an der Kaffeemaschine, all das sind elementare Dinge, die eine Verbundenheit erzeugen. Wir müssen Räume für den Austausch schaffen. Daher ist der Begriff „Büro“ nicht mehr die richtige Bezeichnung. Mir gefällt „Begegnungsort“ viel besser. Diesen müssen wir sinnvoll mit virtuellen Plattformen verbinden. Die wiederum sind das technische Mittel zum Zweck. Um sie zu nutzen, braucht es das richtige Mindset.
TheNextWe: Auf das Thema Mindset kommen wir gleich noch einmal zu sprechen. Wie schwer ist Dir persönlich die Pandemie bisher gefallen? Galt für Dich Homeoffice oder Büro?
Peter: Ich habe zu Beginn der Pandemie fast durchgehend im Homeoffice gearbeitet und bin nur an wenigen Tagen ins Büro gegangen, z.B. um Unterschriften zu leisten. Das Homeoffice wurde also das „new normal“. Die drängendsten Fragen in dieser Zeit waren, wie wir als Organisation gesund durch die Krise kommen und wie wir die Produktivität erhalten. Das hat uns Tag für Tag beschäftigt. Bei all dem Krisenmanagement war diese Zeit für mich auch ein Moment des Innehaltens: Raus aus der schnelllebigen Hektik. Das hatte für mich persönlich etwas sehr lehrreiches.
„Ich sehe nicht, dass wir fünf Tage wie vorher im Office sind.ˮ
TheNextWe: Was denkst Du, wie oft Du „nach Corona“ im Büro sein wirst? Könnte die begrenzte Präsenzzeit ein Modell sein?
Peter: Es wird auf einen Mix hinauslaufen. Etwa 50 Prozent im Büro und 50 Prozent Homeoffice, also ein Modell, das beides berücksichtigen wird. Ich sehe nicht, dass wir fünf Tage wie vorher im Office sind. Es gilt, die Flexibilität zu nutzen und einen Rhythmus zu finden, bei dem auch persönliche Begegnungen ihren Platz finden: Austausch ist und bleibt wichtig. Wir brauchen eine gute Balance.
TheNextWe: Wie regelt Ihr das bei Pfizer?
Peter: Die Herausforderung ist groß, weil zu Beginn der Pandemie überhaupt kein persönlicher Kontakt in Präsenz möglich war. Wir haben in der Zeit viele neue Mitarbeitende rekrutiert, das hat inhaltlich und formal sehr gut funktioniert. Wir haben aber darüber hinaus viel getan, um trotz der Distanz eine erfolgreiche Integration in die Teams zu ermöglichen. Dann fehlen aber doch die Momente der physischen Begegnung besonders stark und das zeigt wieder, wie bedeutsam das persönliche Erlebnis ist. Das ist nicht ersetzbar durch virtuelle Möglichkeiten – technisch schon, aber Vertrauen aufbauen braucht die reale Begegnung.
TheNextWe: Gespräche nebenbei macht man nicht im virtuellen Raum.
Peter: Das ist der entscheidende Punkt, und die Lösung ist alles andere als einfach. Der virtuelle Raum limitiert uns auch, im digitalen Zeitalter bleibt die persönliche Begegnung elementar.
„Ganz entscheidend ist aber nicht nur zu lernen, mit neuen Instrumenten zu arbeiten, sondern die veränderte Arbeitsweise auch wirklich anzunehmen.ˮ
TheNextWe: Wie willst Du die digitalen Möglichkeiten also für Dich und Pfizer möglichst ideal nutzen?
Peter: Wir haben gelernt, dass der Umgang mit digitalen Instrumenten keine „rocket science“ ist: Es ging darum, wie nutze ich die vorhandenen Tools, wie entwickle ich ein Verständnis dafür, wie können sie am Besten eingesetzt werden. All das kann man auch mit klassischen Trainings erreichen.
Ganz entscheidend ist aber nicht nur zu lernen, mit neuen Instrumenten zu arbeiten, sondern die veränderte Arbeitsweise auch wirklich anzunehmen. Bemerkenswert ist dabei die Kooperation mit Euch bei TheNextWe. Denn wir müssen uns klar machen: Ein kultureller Wandel ist immer mit vielen Sorgen verbunden, viele fragen sich: Was wird da kommen? Wie wirkt sich das Digitale auf das aus, was ich kann? Wie begegne ich dem Neuen? Jeder/Jede muss für sich erkennen, dass das eine Investition in die eigene Zukunft ist. Dafür haben wir lange vor der Pandemie zusammen mit TheNextWe ein Coaching-Programm aufgebaut, das nicht nur vermittelt hat, wie nutze ich das, sondern auch, warum das sinnvoll ist.
Das waren die entscheidenden Effekte, die wir dann mit Euch erreicht haben: Nämlich das Digitale positiv zu betrachten, zu erkennen, auf diese Weise viel mehr Möglichkeiten in der Interaktion mit dem Kunden zu haben. Das sind wesentliche Elemente, die das Coaching gebracht hat. Und das nicht nur als einmaliger Effekt, sondern nachhaltig.
TheNextWe: Pfizer hat eine große HR-Abteilung. Warum habt ihr jemanden Externes beauftragt?
Peter: Wir haben sehr weitreichende und lang entwickelte Trainingsprogramme, aber der Push für Inspiration kommt doch oft von außen. Das Coaching-Konzept mit Fokus auf Mindset von TheNextWe war neu und gerade die Variante der ausschließlichen Interaktion von Coach und Teilnehmer nur per Audio über virtuelle Plattformkanäle war für uns ein völlig innovativer Ansatz, den wir so nicht kannten. Das war eine Inspiration für uns, was ihr da als innovatives Startup entwickelt hattet.
„Wir haben im Laufe des Projekts die Anzahl virtueller Kundengespräche mehr als verdreifacht, das hätten wir uns vorab nie träumen lassen.ˮ
TheNextWe: Wie misst man den Erfolg von digitalem Mindset-Wandel?
Peter: In den Projekten mit Euch waren Kolleginnen und Kollegen aus dem Außendienst und der Inneren Medizin involviert. Wir haben in dieser Zeit verschiedene Parameter definiert, die zeigen, dass sich das konkret ausgewirkt hat: Wir haben die Nutzung virtueller Kanäle deutlich gesteigert und im Laufe des Projekts die Anzahl virtueller Kundengespräche mehr als verdreifacht, das hätten wir uns vorab nie träumen lassen.
Neben diesen quantitativen Parametern gab es aber noch weitere Aspekte, zum Beispiel die Haltung und Zustimmung gegenüber virtuellen Kundengesprächen. Das konnten wir um über 30 Prozentpunkte steigern und den positiven Bezug zur Nutzung virtueller Möglichkeiten erhöhen, sodass diese als Entwicklungschancen gesehen wurden und werden.
„Die politische Seite muss einen bestmöglichen Rahmen für Innovationen schaffen.ˮ
TheNextWe: Lass uns zu allerletzt noch einen Blick auf die Politik werfen. Was würdest Du Dir von der neuen Bundesregierung wünschen, um den Standort Deutschland fitter zu machen und aus der Pandemie zu lernen?
Peter: Die Pandemie hat klar vor Augen geführt, wo dringend Handlungsbedarf besteht. Was müssen wir also tun, um besser vorbereitet zu sein? Wir müssen ein resilientes Gesundheitssystem schaffen. Wir müssen digitale Möglichkeiten nutzen, um zum Beispiel gezielt systematisch testen zu können und Daten zusammenfügen. Wir brauchen eine Vernetzung von Einheiten, die wir bisher nicht hatten. Wir brauchen einen neuen Umgang mit Daten. Diese sind ein wahrer Schatz für die künftige Entwicklung medizinischer Durchbrüche.
Auch dafür brauchen wir eine andere Haltung, ein anderes Mindset. Der Datenschutz hat Bedeutung, aber wir dürfen deshalb nicht große Chancen verpassen. Wir müssen durch moderne Analyse KI nutzen, um neue Medikamente zu entwickeln. Das sind ganz wesentliche Aspekte, denen wir uns stellen müssen. Wir haben eine Menge zu tun, denn wir brauchen einen besseren Schutz unserer Gesundheit.
TheNextWe: Was müsste die Politik konkret tun, um Innovationen zu fördern?
Peter: Die politische Seite muss einen bestmöglichen Rahmen für Innovationen schaffen. Unsere Branche lebt vom Schutz geistigen Eigentums. Exzellente Lösungen durch Biotechnologie gelingen nur, wenn ein starker Schutz geistigen Eigentums besteht. Wenn wir solche Innovationen schaffen wollen, muss dieser Schutz umfassend sein. Produktion und Lieferung hängen vom freien Warenverkehr ab. Wir brauchen eine gemeinsame Agenda: Wenn wir alle daran glauben, dass Life Science eine große Zukunftsindustrie ist, dann müssen wir sie zur Priorität machen. Wir müssen strukturelle Kräfte bündeln und festlegen, was die Ziele sind, welche Technologien führend sein werden. Wir brauchen ein offenes Mindset dafür und eine übergeordnete, konzertierte Aktion.
TheNextWe: Lieber Peter, Danke für das tolle Gespräch. Es war wie immer eine große Freude, mit Dir tief und breit über die entscheidenden Themen unserer Zeit nachzudenken. Und Danke an dieser Stelle für die vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Peter: Always a pleasure!